Information zum aktuellen Risiko des Auftretens der Blauzungenkrankheit in Deutschland und Empfehlung zur Impfung
Die Blauzungenkrankheit (BT) ist eine anzeigepflichtige Tierseuche der Wiederkäuer, die durch Viren verursacht und über Mücken der Gattung Culicoides (Gnitzen) übertragen wird. Derzeit finden zwei voneinander unabhängige Seuchenzüge in benachbarten EU-Staaten statt. Die Gefahr der Einschleppung in die Bundesrepublik Deutschland ist hoch.
Die Impfung stellt die einzige Möglichkeit dar, Rinder und kleine Wiederkäuer wirkungsvoll gegen eine BTV-Infektion zu schützen und ermöglicht den Handel mit Tieren im Seuchenfall. Die Impfung vor der kommenden Vektorsaison ist eine Investition, die sich auf jeden Fall lohnt!
Ausbrüche der BT in benachbarten EU-Staaten:
Im Jahr 2014 ist es in Südosteuropa zu zahlreichen Ausbrüchen, verursacht durch BT-Virus vom Serotyp 4 (BTV-4), gekommen. Nachdem sich der Erreger in Ungarn weiter verbreiten konnte, sind in den Jahren 2015 und 2016 Fälle in Österreich und in Slowenien aufgetreten. Im Herbst 2016 erreichte BTV-4 den Nordosten Italiens. Seitdem wurden dort mehr als 400 Fälle registriert. Das BTV-4-Geschehen ist weniger als 150 km von der deutschen Grenze entfernt. Die Hochgebirge der Alpen können die Ausbreitung durch Verdriftung von Gnitzen möglicherweise noch verhindern oder verlangsamen
Der zweite BT-Seuchenzug findet in Frankreich statt und wird durch den Serotyp 8 (BTV-8) verursacht. Dieser Erreger ist eng mit dem BTV-8 Virus verwandt, welches von 2006 bis 2009 einen folgenschweren Seuchenzug in Deutschland und in vielen anderen EU-Ländern verursachte. Der erste Fall wurde im August 2015 im Zentrum Frankreichs (Departement Allier) bei einem klinisch kranken Schaf festgestellt. Seitdem hat sich die Infektion weiter ausgebreitet. Allein im Jahr 2016 wurden in Frankreich 1.541 Ausbrüche gemeldet (Quelle: ADNS). Einige Ausbrüche sind deutlich weniger als 150 km von der deutschen Grenze entfernt. Die Ausbreitung des BTV-8 Geschehens nach Deutschland im Zuge der kommenden Gnitzensaison ist als sehr wahrscheinlich anzusehen.
Karte des FLI mit den aktuellen BT-Ausbrüchen in Europa.
Gefahr der Einschleppung nach Deutschland und Auswirkungen
Die Gefahr der Verschleppung der Infektion durch die innergemeinschaftliche Verbringung infizierter Tiere nach Deutschland wird in der Qualitativen Risikobewertung des FLI, vom 30.11.2015, als gering bis mäßig eingeschätzt, da diese Tiere vor der Verbringung geimpft und/oder untersucht werden müssen. Dagegen wird die Gefahr der Einschleppung durch Gnitzen nach wie vor als wahrscheinlich bis hoch angesehen (Radar Bulletin Januar 2017, FLI)
In Deutschland wurden mit Ausnahme von Baden-Württemberg noch in keinem Bundesland in nennenswertem Umfang Impfungen gegen BTV-4 und -8 durchgeführt. Der Anteil der Tiere, die noch aus dem Seuchengeschehen von 2006 bis 2009 Antikörper gegen BTV-8 aufweisen, ist nur noch sehr gering. Daher würde das Virus in den meisten Teilen Deutschlands auf eine Tierpopulation treffen, die für BTV voll empfänglich ist. Die Infektion könnte sich schnell und flächenhaft ausbreiten.
Neben den direkten Auswirkungen für die infizierten und erkrankten Tiere werden sich insbesondere durch Handelsrestriktionen schwerwiegende wirtschaftliche Folgen ergeben. So ist die Verbringung empfänglicher Tiere aus der um jeden Ausbruch mit einem Radius von mindestens 150 km einzurichtenden Sperrzonen (Sperrgebiet und Beobachtungsgebiet) nur unter Auflagen (Impfung und/oder Untersuchung) erlaubt. Auf Grund dieser großen Radien werden die Gebiete möglicherweise sehr schnell bis nach Niedersachsen reichen. Auch ohne Ausbruch in Niedersachsen wären Niedersächsische Tierhaltungen dann direkt von Restriktionen betroffen.
Impfung:
Da die Impfung gegen BTV einen sicheren Schutz vermittelt und weitgehend nebenwirkungsfrei ist, empfiehlt die ständige Impfkomission Veterinärmedizin (StIKo Vet) am Friedrich-Loeffler-Institut in seiner „Impfempfehlung BTV“ vom 02.02.2016 den Einsatz der Impfung. Sie stellt die einzige Möglichkeit dar Rinder und kleine Wiederkäuer wirkungsvoll gegen eine BTV-Infektion zu schützen und ermöglicht den innergemeinschaftlichen Handel mit Tieren und einigen Drittländern im Seuchenfall. Die Impfempfehlung wird in der aktualisierten Stellungnahme der StIKo Vet vom Dezember 2016 aufrechterhalten.
Derzeit erscheint ein Eintrag von BTV-8 nach Deutschland und insbesondere nach Niedersachsen wahrscheinlicher zu sein als ein Eintrag von BTV-4. Der Schwerpunkt sollte daher auf die Impfung gegen BTV-8 gelegt werden.
Die Impfung gegen BTV ist seit Mai 2016 in Deutschland wieder erlaubt, sofern die zuständige Behörde (=Veterinäramt) diese genehmigt hat und die Impfung in die HIT-Datenbank eingetragen wird (§4 EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung).
Impfempfehlung: Die Impfung sollte in Vorbereitung auf die nächste Vektorsaison bereits im Frühjahr 2017 erfolgen, da sie folgende Vorteile bietet:
- Sie schützt die Tiere vor klinischen Erkrankungen und die landwirtschaftlichen Betriebe vor Leistungseinbußen und Verlusten.
- Bestände in denen die Tiere bereits geimpft wurden, sind nicht so sehr von Handelsbeschränkungen betroffen, da die Tiere 60 Tage nach abgeschlossener Grundimmunisierung auch innergemeinschaftlich und in einige Drittländer verbracht werden dürfen.
- Je höher der Anteil der geimpften Tiere in der Population der Rinder, Schafe und Ziegen ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Infektion nicht flächenhaft ausbreitet.
Die Kosten können je nach Tierzahl und Aufwand sehr variieren und liegen für eine einmalige Impfung zwischen 5,00 – 7,00 € für ein Rind und zwischen 2,50 – 3,50 € für ein Schaf. Da die Impfung viele Vorteile hinsichtlich Tiergesundheit, Handel und Seuchenverschleppung bietet, ist die Impfung vor der kommenden Vektorsaison eine Investition die sich auf jeden Fall lohnt!
Bei Fragen zur Impfung, insbesondere zur Genehmigung, wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige kommunale Veterinärbehörde.
Für die Impfung sind in Deutschland derzeit inaktivierte Impfstoffe gegen verschiedene BTV-Serotypen zugelassen. Es besteht keine Kreuzimmunität zwischen den unterschiedlichen Serotypen.
Krankheitsanzeichen der aktuellen BTV-4 und BTV-8 Stämme:
Berichte zum Krankheitspotential der aktuell zirkulierenden BTV-4 und BTV-8 Stämme aus den betroffenen Ländern sind widersprüchlich. Es werden aber klinische Verdachtsfälle bei Rindern und kleinen Wiederkäuern beschrieben. Im Sinne der frühzeitigen Erkennung einer BT-Infektion ist verstärkt auf Krankheitsanzeichen zu achten, die beim Wiederkäuer auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Virus der Blauzungenkrankheit hindeuten.
Ausführliche Informationen zur Blauzungenkrankheit sind auf der Internetseite www.tierseucheninfo.niedersachsen.de zu finden.
Autoren:
Dr. Jens Brackmann
Claudia Mroz
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit